Ich möchte vorab betonen, dass ich ein überzeugter Gegner der Kastration bin, sofern nicht wirklich schwerwiegende gesundheitliche Gründe vorliegen. Auch Scheinträchtigkeiten bei Hündinnen haben ihren natürlichen Hintergrund und ihre Berechtigung – und es gibt viele sanfte, natürliche Hilfsmittel, die unterstützend wirken können, ohne direkt zu solch drastischen Maßnahmen zu greifen.
Wer glaubt, ein Hund sei einfacher zu erziehen, wenn er kastriert ist, sollte vielleicht einen kritischen Blick auf die eigene Fähigkeit zur Führung und Erziehung eines Hundes werfen. Unsere Hunde brauchen keine Operation, um "praktischer" für uns zu sein – sie brauchen Verständnis, Geduld und eine klare, liebevolle Führung.
Wenn man sich daran stört, dass eine Hündin zweimal im Jahr läufig wird oder währenddessen etwas Blut verliert, sollte man ernsthaft überlegen, ob ein Hund überhaupt ins eigene Leben passt. Hunde sind Lebewesen mit natürlichen Bedürfnissen und Instinkten, und für unsere Bequemlichkeit sollten sie keinen unnötig hohen Preis zahlen müssen.
Ähnlich verhält es sich mit Rüden, die ihr Revier markieren – ein ganz normales Verhalten. Wer sich daran stört, sollte vielleicht besser über ein Stofftier nachdenken. Schließlich kaufen wir uns doch einen Hund, weil wir ihn als das lieben, was er ist – mit all seinen natürlichen Eigenschaften.
Und mal ehrlich: Ich habe meinen Mann auch nicht „kastrieren“ lassen, nur weil er jeden Morgen eine „Morgenlatte“ hat. 😉
Aber nun kommen wir mal zu ein paar Fakten, die vielleicht den ein oder Anderen zum Nachdenken anregen.
Ein weit verbreitetes Argument für die Kastration, insbesondere die Frühkastration von Hündinnen, ist die Vorbeugung von Mammatumoren. Aber ist der Einfluss einer Kastration vor der ersten Läufigkeit wirklich so signifikant?
Eine Untersuchung aus den USA hat gezeigt, dass die Frühkastration von Hunden eine Reihe von gesundheitlichen Problemen verursachen kann. Frühkastration bedeutet die Entfernung wichtiger Hormone, bevor Körper und Verhalten vollständig ausgereift sind. Diese Praxis, das vorsorgliche Entfernen der primären Geschlechtsorgane, kam ursprünglich als Trend aus den USA nach Europa. Dort werden viele Hunde bereits vor ihrem ersten Lebensjahr kastriert, was auch schon seit längerer Zeit einigen Tierärzten ein Anliegen ist.
Ein Beispiel ist der Tierarzt Ben Hart, der zusammen mit seinem Team die Daten von 759 Retriever-Hunden untersuchte. Seine Ergebnisse bestätigten, dass Frühkastration keineswegs vor Krebs schützt, sondern vielmehr eine ganze Reihe gesundheitlicher Probleme nach sich ziehen kann. Diese Erkenntnisse lösten eine große Diskussion aus und stießen eine breite Welle an Diskussionen und neuen Überlegungen an.
Seine Untersuchungen ergaben, dass frühkastrierte Rüden doppelt so häufig unter Hüftgelenksdysplasie litten wie intakte Rüden (zehn Prozent gegenüber fünf Prozent). Im Vergleich dazu zeigte sich bei frühkastrierten Hündinnen in acht Prozent der Fälle ein Kreuzbandriss, während intakte Hündinnen dieses Problem nicht hatten. Auch bei den frühkastrierten Rüden trat diese Erkrankung mit fünf Prozent auf. Zudem entwickelten die frühkastrierten Rüden dreimal häufiger Lymphdrüsenkrebs, was bei zehn Prozent der Tiere festgestellt wurde.
Mastzellenkrebs, der bei intakten Hündinnen nicht vorkam, trat bei sechs Prozent der Hündinnen auf, die nach ihrem ersten Lebensjahr kastriert wurden. Auch HSA (Hämatangiosarkom), eine Form von Blut- und Gefäßkrebs, trat bei diesen Hündinnen mit acht Prozent viermal häufiger auf als bei intakten Tieren.
Fazit:
Frühkastration kann die Gesundheit der Hunde beeinträchtigen, und auch eine spätere Kastration, besonders bei Hündinnen, kann problematisch sein.
In einer wissenschaftlichen Studie der Universität Brno (Tschechien) wurden 17.053 Hündinnen untersucht, darunter 214 mit Mammatumoren (sowohl gutartige als auch bösartige Tumore wurden dabei berücksichtigt). Dies entspricht nur 1,25 %, was glücklicherweise zeigt, dass Mammatumore eine eher seltene Erkrankung darstellen. Ähnliche Ergebnisse ergab die Bielefelder Kastrationsstudie von Dr. Gabriele Niepel (2002).
Bei nichtkastrierten Hündinnen erkranken zwischen 1,98 und 2,8 (maximal 18,6) von 1.000 Hündinnen, abhängig von Alter und Rasse. Das entspricht einem Anteil von nur 0,2 bis maximal 1,8 %. Wenn man nach dem Kastrationsalter unterscheidet, zeigt sich: Frühkastrierte Hündinnen haben ein Risiko von nur 0,0093 %, während Hündinnen, die nach ihrer ersten Läufigkeit kastriert wurden, ein Risiko von 0,1488 % tragen.
Eine der umfassendsten Untersuchungen zu diesem Thema wurde in der Studie „Evaluation of the risk and age of onset of cancer and behavioral disorders in gonadectomized Vizslas“ veröffentlicht. Dr. Christine Zink, eine angesehene Expertin auf dem Gebiet der Tiermedizin, griff auf die Daten von 2.500 ungarischen Vorstehhunden (Magyar Vizsla) zurück, um zu untersuchen, wie sich eine Kastration auf die Gesundheit von Hunden auswirkt. Ihre Forschung, die im Februar 2014 im „Journal of the American Veterinary Medical Association“ erschien, zeigte, dass kastrierte Hunde beiderlei Geschlechts ein deutlich erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten wie Lymphosarkome, Hämangiosarkome und Mastzelltumore haben – und das oft schon zu einem deutlich früheren Zeitpunkt als bei intakten Hunden.
Leider zeigte die Studie auch, dass kastrierte Hunde öfter an Verhaltensstörungen wie Angst vor Gewittern leiden. Besonders beunruhigend ist die Entdeckung, dass eine Kastration das Risiko für Hämangiosarkome – einen äußerst gefährlichen und aggressiven Milztumor – stark erhöhen kann. Weitere Studien belegen, dass kastrierte Hunde ein drei- bis vierfach höheres Risiko für die Entwicklung eines Osteosarkoms (Knochenkrebs) haben.
Auch die vermeintliche Schutzwirkung der Kastration gegen Gesäugetumoren wird zunehmend in Frage gestellt. Bösartige Prostatatumore bei Rüden treten nach der Kastration nicht seltener auf, sondern häufiger. Ein wesentlicher Grund für diese erhöhte Anfälligkeit für Tumorerkrankungen scheint mit der Beeinträchtigung des Immunsystems zusammenzuhängen, die durch den Wegfall der Geschlechtshormone verursacht wird. Das bestätigt auch, dass kastrierte Hunde eine höhere Infektanfälligkeit haben.
Leider lassen sich viele Tierärzte immer noch dazu hinreißen, Hündinnen und Rüden ohne eine tatsächliche medizinische Notwendigkeit zu kastrieren, was nicht nur gegen das Tierschutzgesetz verstößt, sondern häufig auch mit erheblichen Leiden für das Tier verbunden ist. Es gibt durchaus Alternativen, wie die Verhinderung der unkontrollierten Vermehrung durch das Fernhalten von nichtkastrierten Rüden während der Läufigkeit der Hündin. Auch die Kastration kann nicht alle Verhaltensprobleme beseitigen, wie oft fälschlicherweise angenommen wird.
Eine Kastration sollte nur dann erfolgen, wenn ein tatsächlicher medizinischer Grund vorliegt. Bei Hündinnen könnte dies beispielsweise der Fall sein, wenn sie unter häufigen Scheinschwangerschaften leiden oder hormonbedingte Fellprobleme haben. Bei Rüden könnte eine Kastration sinnvoll sein, wenn sie unter übermäßigem Sexualtrieb leiden, der sie und ihre Besitzer belasten. In solchen Fällen sollte die Entscheidung jedoch wohlüberlegt und nicht aus Bequemlichkeit getroffen werden.
Es ist wichtig, sich vor einer Kastration umfassend zu informieren, Fragen zu stellen und sich gegebenenfalls eine zweite oder dritte Meinung einzuholen. Das ist genauso wichtig, wie wir es als Erwachsene auch bei unseren eigenen medizinischen Entscheidungen tun würden.
Es gibt auch die Möglichkeit einer Semikastration, bei der die Hündin weiterhin einen hormonellen Zyklus hat, was den Vorteil der Sexualhormone und deren positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden bewahrt.
Rechtlich ist die Kastration von Hunden in Deutschland nur dann erlaubt, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, wie es im Tierschutzgesetz festgelegt ist. Der bloße Wunsch des Tierhalters reicht nicht aus – eine Kastration aus Bequemlichkeit ist also illegal. Es ist entscheidend, sich dieser Regelung bewusst zu sein und die Entscheidung für eine Kastration mit Bedacht und Verantwortung zu treffen.
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