Die Prägephase beim Welpen – Fundament fürs ganze Leben

Die ersten Lebenswochen eines Hundes sind entscheidend für seine gesamte Entwicklung. Besonders wichtig ist dabei die sogenannte Prägephase, ein Zeitfenster, in dem das Gehirn des Welpen besonders aufnahmefähig ist und die Erfahrungen, die er jetzt macht, sein Verhalten ein Leben lang prägen.

Was ist die Prägephase?

Die Prägephase beim Hund beginnt etwa in der 3. Lebenswoche und dauert in der Regel bis zur 12. bis 16. Woche an. Über den genauen Zeitpunkt des Endes sind sich Fachleute nicht ganz einig – manche sprechen von der 12., andere von der 13., 15. oder sogar 16. Woche. In dieser sensiblen Zeit lernt der Welpe besonders intensiv und nachhaltig. Er nimmt seine Umwelt bewusst wahr, sammelt wichtige Erfahrungen im Umgang mit Artgenossen, Menschen sowie unterschiedlichen Reizen wie Geräuschen, Gegenständen oder verschiedenen Untergründen.

Der Begriff „Prägung“ stammt ursprünglich aus der Verhaltensforschung – bei vielen Tierarten bedeutet er, dass bestimmte Reize in einem sehr engen Zeitfenster zu tiefgreifenden, nicht mehr veränderbaren Verhaltensmustern führen. Beim Hund spricht man daher eher von einer sensiblen Phase, aber der Begriff „Prägephase“ ist im Alltag geläufig und beschreibt den Prozess gut.

 

Was passiert im Gehirn des Welpen?

Das Gehirn eines Welpen ist in den ersten Lebenswochen besonders formbar, ein Zustand, den Fachleute als neuronale Plastizität bezeichnen. Das bedeutet: Das Gehirn passt sich sehr schnell an neue Erfahrungen und Umweltreize an. Diese außergewöhnliche Fähigkeit ist vor allem in der Prägephase stark ausgeprägt. Alles, was der Welpe jetzt sieht, hört, riecht oder fühlt, wird im Gehirn verarbeitet, bewertet und gespeichert – und zwar durch die Bildung von Synapsen.

Synapsen sind Verbindungsstellen zwischen den Nervenzellen (Neuronen). Sie ermöglichen es den Nervenzellen, miteinander zu kommunizieren. Wenn ein Welpe einen neuen Reiz erfährt – zum Beispiel das Rascheln von Laub, das Geräusch eines Staubsaugers oder den Kontakt mit einem anderen Hund – werden neue Synapsen gebildet. Diese Verbindungen ermöglichen es dem Gehirn, Informationen zu speichern und in Verhalten umzuwandeln.

 

Beispiele für Synapsenbildung beim Welpen:

  • Ein Welpe läuft über eine Wiese und spürt zum ersten Mal Gras unter seinen Pfoten.
    Dabei wird eine neue Verbindung zwischen den Sinneszellen der Pfoten und den                                                                                               zuständigen Gehirnbereichen hergestellt. Diese Erfahrung bleibt ihm im Gedächtnis –                                                                                   beim nächsten Mal erkennt sein Gehirn das Gefühl wieder und stuft es als vertraut ein

 

  • Der Welpe hört ein Motorrad vorbeifahren und erschrickt.
    Das Geräusch aktiviert einen Bereich im Gehirn, der für die Verarbeitung von Gefahren                                                                               zuständig ist (z. B. die Amygdala). Wenn das Erlebnis gut begleitet wird und keine                                                                             tatsächliche Bedrohung folgt, wird das Gehirn lernen: „Lautes Geräusch, aber keine                                                                               Gefahr“. So entsteht eine stabile Verbindung, die Angst abbaut – auch das ist Lernen über                                                                         Synapsen.

 

Häufigkeit stärkt die Verbindungen – wie bei einer Straße im Gehirn

Man kann sich die Synapsen wie kleine Wege vorstellen. Wenn ein Reiz oder eine Erfahrung wiederholt auftritt, wird aus dem schmalen Trampelpfad eine breite Straße. Das bedeutet:

  • Je häufiger eine bestimmte Erfahrung gemacht wird, desto stärker und schneller ist die Verbindung im Gehirn.
  • So kann der Welpe immer schneller auf bestimmte Reize reagieren, z. B. beim Hören des eigenen Namens oder dem Kommando „Sitz“.

Ein Beispiel:

  • Wird ein Welpe regelmäßig gestreichelt, entsteht eine positive Verknüpfung zwischen menschlicher Berührung und Wohlgefühl. Diese Verbindung wird mit jeder liebevollen Interaktion stärker – bis der Hund später sogar aktiv den Körperkontakt sucht.

 

Was passiert mit nicht genutzten Synapsen?

Das Gehirn ist auch ökonomisch: Synapsen, die nicht gebraucht werden, werden mit der Zeit wieder abgebaut. Dieser Vorgang nennt sich „Synaptic Pruning“, also das Beschneiden überflüssiger Verbindungen.

Dazu ein Beispiel:

  • Ein Welpe, der niemals Kontakt zu anderen Menschen außerhalb seiner Bezugsperson hat, baut in dieser Phase keine oder kaum Synapsen auf, die für den sozialen Umgang mit Fremden zuständig sind. Diese fehlenden Verbindungen machen es später sehr schwer, entspannt auf fremde Menschen zuzugehen.
    Das Gehirn „verliert“ quasi die Fähigkeit, dieses Verhalten flexibel zu lernen, weil die nötige Infrastruktur nie angelegt wurde.

Diese Regel fasst man oft unter dem Prinzip „Use it or lose it“ zusammen. Oder in einem bekannten Sprichwort:
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“
Das bedeutet natürlich nicht, dass ältere Hunde gar nichts mehr lernen können – aber: Es ist deutlich mühsamer und weniger stabil.

 

Warum all das so wichtig ist – und weshalb die Wahl eines verantwortungsvollen Züchters dabei eine entscheidende Rolle spielt.

Diese frühen neurologischen Prozesse haben enorme Auswirkungen auf das spätere Verhalten und Wohlbefinden des Hundes.
Ein gut geprägter Welpe mit vielen stabilen Synapsen in verschiedenen Bereichen (Sozialverhalten, Umweltreize, motorische Fähigkeiten, Stressbewältigung) ist:

  • selbstsicher,
  • lernfähig,
  • anpassungsfähig und
  • weniger anfällig für Angst oder Aggression.

 

 

Ein Welpe hingegen, der in dieser entscheidenden Phase zu wenig Reize erlebt oder schlechte Erfahrungen macht, wird es später viel schwerer haben. Seine „inneren Straßen“ sind dann entweder zu schmal oder führen in die falsche Richtung – zum Beispiel zu Vermeidung, Panik oder übermäßiger Vorsicht.

Die Synapsenbildung im Welpengehirn ist wie der Bau eines Straßennetzes. Je mehr positive, vielseitige und altersgerechte Erfahrungen ein Welpe machen darf, desto stabiler wird dieses Netzwerk. Die Investition in diese Phase lohnt sich ein Leben lang – für den Hund und seine Menschen.

 

Was lernt der Welpe in der Prägephase?

  1. Sozialverhalten
    Der Welpe lernt den Umgang mit seiner Mutter, den Geschwistern und im besten Fall von anderen Hunden, die beim Züchter leben, wie auch später mit Menschen. Hier entstehen die Grundlagen für sein späteres Sozialverhalten.
  2. Umweltreize
    Geräusche, Gerüche, unterschiedliche Oberflächen, Verkehr, fremde Menschen, Kinder, andere Tiere – alles, was er jetzt erlebt, wird im Gehirn abgespeichert und als „normal“ erkannt.
  3. Selbstregulation & Problemlösung
    Durch positive Reize und kleine Herausforderungen entwickelt der Welpe Selbstvertrauen und lernt, mit stressigen Situationen umzugehen.

 

Was passiert, wenn diese Phase verpasst oder vernachlässigt wird?

Wird die Prägephase nicht genutzt oder der Welpe wächst in reizarmen, stressreichen oder isolierten Umgebungen auf, können die Folgen schwerwiegend sein:

  • Weniger Synapsen im Gehirn bedeuten, dass das Gehirn weniger gut vernetzt ist. Das macht es später viel schwerer, neue Dinge zu lernen oder mit Unbekanntem umzugehen.
  • Der Hund entwickelt Ängste oder Unsicherheiten, z. B. vor Menschen, Geräuschen, anderen Hunden oder Umweltreizen.
  • Fehlende soziale Prägung kann zu aggressivem Verhalten, Überreaktionen oder Rückzugsverhalten führen.
  • Solche Hunde sind oft schlecht anpassungsfähig und haben ein höheres Risiko für Verhaltensstörungen oder Stresskrankheiten.

 

Warum ist frühe Förderung so wichtig?

Die Prägephase ist nicht nachholbar – was der Welpe in dieser Zeit nicht kennenlernt, wird später oft nur sehr schwer oder gar nicht mehr akzeptiert. Umso wichtiger ist es, dass Welpenhalter, Züchter oder Tierheime gezielt und liebevoll mit dem jungen Hund arbeiten:

  • Positive Erfahrungen schaffen, nicht überfordern!
  • Verschiedene Reize dosiert und kontrolliert anbieten.
  • Soziale Kontakte fördern – mit Artgenossen und Menschen.
  • Den Welpen in kleinen Schritten an neue Situationen gewöhnen.

 

Die Prägephase ist das Fundament für ein stabiles Hundeleben

Was ein Welpe in seinen ersten Lebenswochen erlebt, beeinflusst maßgeblich, wie er die Welt später wahrnimmt und mit ihr umgeht. Ein gut geprägter Hund ist selbstsicher, sozial verträglich, lernfreudig und stressresistenter. Fehlende Erfahrungen und mangelnde Synapsenbildung in dieser Phase können das Gegenteil bewirken und sind später nur schwer zu korrigieren.

Deshalb ist es so wichtig, die Prägephase bewusst zu nutzen – mit Geduld, Wissen und Einfühlungsvermögen. Denn was der Welpe jetzt lernt, begleitet ihn ein Leben lang.

Logo

© Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.