Scheinträchtigkeit / Scheinschwangerschaft

Wenn die Hündinnen meiner Welpeneltern in ihrer ersten oder auch zweiten Läufigkeit sind, taucht im Nachgang oft das Thema „Scheinträchtigkeit“ auf. Ich habe dies zum Anlass genommen, um mit ein paar Mythen und Ammenmärchen aufzuräumen. Denn eines müsst ihr alle wissen: MUTTER NATUR IST EIN GANZ SCHLAUER FUCHS!

Zuerst werde ich ein bisschen fachlich und erkläre euch, wie der normale Zyklus einer Hündin abläuft. Im Vergleich zum Rüden, der hormonell und anatomisch recht übersichtlich ist, weist die Hündin eine Reihe von Besonderheiten auf. Insbesondere durch die abwechselnde Tätigkeit verschiedener Hormone ist sie auch im Verhalten ganz anders „eingestellt“ als der Rüde.
(Na, kommt euch Herren das bekannt vor? 😉)

Eine Hündin ist in ihrem Leben durchschnittlich zweimal pro Jahr läufig. Die meisten Hundedamen werden zum ersten Mal im zarten Alter von 6 bis 15 Monaten läufig. Kleinere Rassen werden häufig etwas früher läufig als größere Rassen.

Nicht zu den weiblichen Geschlechtsorganen gehört das Gesäuge! Die Milchdrüsen eines Hundes und generell jedes Säugetiers sind umgewandelte Schweiß- und Talgdrüsen. Somit gehören sie anatomisch zu den Hautdrüsen. Auch wenn sie von bestimmten Hormonen (Oxytocin und Prolaktin) gesteuert werden, sind diese im eigentlichen Sinne keine Sexualhormone. Es sind Hormone der Hirnanhangsdrüse.

Der Zyklus einer Hündin ist in vier Phasen unterteilt:

Erste Phase – Proöstrus (Vorbrunst)
Die durchschnittliche Dauer des Proöstrus liegt bei 9 Tagen. Es ist der erste Teil der Läufigkeit. Die Vulva der Hündin schwillt an, und blutiger Ausfluss tritt aus. Die Menge kann hierbei stark von Hund zu Hund variieren. Die Hündin ist zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht fruchtbar, riecht jedoch für die Rüdenwelt bereits sehr interessant. Zu aufdringliche Rüden werden von ihr jedoch noch weggebissen, oder sie versucht, ihnen zu entkommen.

Zweite Phase – Östrus (Brunst)
Die Hündin ist nun deckbereit – das nennt man auch „Standhitze“. Sie bleibt bereitwillig stehen und dreht die Rute auf die Seite, wenn sich ein interessierter Rüde nähert. Der Östrus dauert im Durchschnitt ebenfalls etwa 9 Tage, kann aber je nach Hündin schwanken. Die Vulva ist nun nicht mehr so stark geschwollen, und der Scheidenausfluss wird wässriger, manchmal auch schleimartig. Während des Östrus finden mehrere Eisprünge statt. Eine Hündin könnte auch von mehreren Rüden schwanger werden – also Vorsicht!
Wusstet ihr, dass der Samen eines Rüden bis zu 7 Tage in der Hündin „überleben“ kann? Das zeigt, dass sie echt Geduld haben! 😉

Dritte Phase – Metöstrus (Nachbrunst)
Nun lassen die Läufigkeitssymptome wieder nach. Die Vulva schwillt ab, der Ausfluss wird zunächst oft gelblich und verschwindet schließlich ganz. Obwohl unsere Hundedame ab diesem Zeitpunkt äußerlich keine Anzeichen einer Läufigkeit mehr zeigt, gibt es über mehrere Wochen weiterhin hormonelle Veränderungen. Die Gelbkörper, die nach dem Eisprung an den Eierstöcken entstehen, produzieren das Hormon Progesteron. Dieses sorgt dafür, dass der Embryo in der Gebärmutter die für seine Einnistung und sein Wachstum benötigten Bedingungen vorfindet. Die Gelbkörper produzieren dieses Hormon unabhängig davon, ob es zu einer Befruchtung gekommen ist oder nicht! Erst nach etwa neun Wochen sind die Gelbkörper abgebaut.

Mit dem sinkenden Progesteron-Spiegel wird nun die Ausschüttung des Hormons Prolaktin angestoßen, das die Milchproduktion anregt – und so kommt es zur „Scheinträchtigkeit“.
Eine Hündin trägt übrigens durchschnittlich 63 Tage, also genau neun Wochen. Darum ist der Begriff „Scheinträchtigkeit“ eigentlich falsch, da die Milchproduktion ja nicht während der Schwangerschaft, sondern erst bei der Mutterschaft entsteht.

Vierte Phase – Anöstrus (Ruhephase)
Die Läufigkeit einer Hündin endet mit der Anöstrus-Phase. Das Hormonlevel pendelt sich wieder auf ein normales Maß ein.

Aber damit nicht genug! Hormone sorgen auch für Veränderungen im Verhalten der Hündin.
Die erste Gruppe wäre die der Östrogene. Diese haben angst- und stresslösende Nebenwirkungen im Gehirn, weshalb sie WICHTIG sind. Sie wirken als Gegenspieler, wenn bei unseren Hunden Angst oder Stress entsteht. Am Rande sei erwähnt: Bei den Rüden ist es das Testosteron!


Der zweite Teil des Hormonsystems der Hündin ist das Progesteron. Es wird nach der Läufigkeit (dritte Phase) produziert. Progesteron stammt aus dem Gelbkörper und beeinflusst Gewichtszunahme, den Stoffwechsel, Fetteinlagerungen und auch das Verhalten der Hündin. Hündinnen, die vom Progesteron gesteuert werden, wirken eher ruhig, vorsichtig, ängstlich bis hin zu depressiv.

Nun möchte ich euch erklären, warum diese verschiedenen Stadien durchlaufen werden und warum ich sage: „Mutter Natur ist ein ganz schlauer Fuchs!“ Ganz einfach! Gehen wir zu den Wölfen, die immer herhalten müssen, wenn es um das Verhalten unserer Hunde geht. Wer glaubt, dass in einem Rudel in der freien Natur jede Hündin vom Leitrüden gedeckt wird, der liegt falsch. In der Natur überleben nur die Stärksten, und der Leitrüde deckt auch nur die stärksten Hündinnen. Nichtsdestotrotz haben auch die „nicht gedeckten“ Hündinnen – die vermeintlich Schwächeren – eine Aufgabe mit ihrer „Scheinträchtigkeit“. Sollte die tragende Hündin aufgrund von Tod, Krankheit oder anderen Gründen nicht in der Lage sein, den Nachwuchs zu säugen und zu ernähren, übernehmen genau diese scheinträchtigen Hündinnen die Rolle der Mutterhündin. So ist der Fortbestand des Rudels sichergestellt. Darum entwickelt sich die Milchleiste – ein Plan der Natur, der absolut natürlich ist, also „evolutionär“.

Würden wir über Computer reden, wären sie quasi das Backup unserer Daten! 😉

Hier kommen wir nun zu dem Punkt, an dem das immer wieder aufpoppende Thema Kastration ins Spiel kommt. Das Gerücht, dass eine Kastration das einzige Mittel sei, um Gesäugetumore zu verhindern oder Gebärmutterentzündungen zu vermeiden, ist schlichtweg falsch.
Ich spreche mal die Frauen unter uns an: Wir alle wissen, dass es Brustkrebs gibt. Rennen wir deshalb alle zum Arzt, um uns die Brüste entfernen zu lassen, weil wir vielleicht Brustkrebs bekommen könnten? Also ich nicht. Es reicht, wenn ich reagiere, wenn ich die Diagnose erhalte. Klar, es gibt die berühmten Ausnahmen, bei denen Brustkrebs in der Familie liegt, da mag man es vorsorglich tun – aber bitte nicht, nur weil man weiß, dass es Brustkrebs gibt.
Natürlich ist klar, dass eine Hündin, die kastriert wurde und deren Gebärmutter entfernt wurde, keine Gebärmutterentzündung bekommen kann. Das ist logisch – wo nichts ist, kann auch nichts entstehen. ABER: Wer seine Hündin nach jeder Läufigkeit gut beobachtet und auf folgende Symptome achtet, ist gut beraten und wird keinerlei Probleme in dieser Hinsicht bekommen.
Die Symptome sind: übermäßiges Trinken, erhöhte Körpertemperatur, Mattigkeit und ggf. Scheidenausfluss.
Treten diese Symptome auf, sollte man dem Tierarzt zur Abklärung einen Besuch abstatten.

Als kleiner Hinweis, bevor ihr über eine Kastration nachdenkt: Eure Hündin kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit inkontinent werden, was bedeutet, dass sie bis an ihr Lebensende Medikamente bekommen muss. Wichtige Hormone, die ihren Angst- und Stresslevel „ausbalancieren“, fallen weg!
Denkt bitte immer daran: Die Kastration „ohne Grund“ ist laut Tierschutzgesetz § 6 verboten:
„Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres.“
Eine Scheinträchtigkeit rechtfertigt keine Kastration, denn sie ist von der Natur so gewollt und absolut normal.

Um das Ganze etwas einzudämmen, könnt ihr zu Beginn der Läufigkeit nach und nach ihre Spielzeuge oder Stofftiere, die herumliegen, wegräumen. Lagert sie für ca. 90 Tage, bis die Läufigkeit vorbei ist. Die Hündinnen fangen an, Nester zu bauen, und wollen die Stofftiere „bemuttern“.
Wichtig: Während der gesamten Zeit der Läufigkeit „Finger weg vom Bauch“ – besonders wenn die Milchleisten anschwellen! Nicht anfassen, nicht streicheln! Das animiert die Milchproduktion, denn Welpen regen durch ihre Fußtritte die Milchleiste zur Produktion an.

Es gibt einige „natürliche Mittel“, die die Hündin bei diesem Prozess unterstützen können. Man kann auch ein „Gegenhormon“ bekommen, um die Scheinträchtigkeit zu beenden, aber das halte ich für einen Eingriff in einen natürlichen Prozess. Ob das sein muss, muss jeder für sich selbst entscheiden.

So, ich hoffe, ich konnte ein bisschen Licht ins Dunkel bringen.

 

Logo

© Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.